Arbeitgeber*innen sind laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um menschengerechte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Psychische Gefährdungen können sich aus der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, den sozialen Beziehungen und der Arbeitsumgebung ergeben. Zum Schutz der Gesundheit sollten zielgerichtete und wirkungsvolle Arbeitsschutzmaßnahmen abgeleitet werden. Dafür wurden zunächst psychische Gefährdungen für die betreffenden Tätigkeiten oder Bereiche mithilfe von Analyseinstrumenten umfassend ermittelt. Für die Branche Sozial- und Gesundheitswesen zeigt dieser Beitrag eine Auswahl geeigneter Instrumente auf.

Hintergrund

Angesichts der Veränderung in der Arbeitswelt (z. B. Restrukturierungsmaßnahmen, Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen an Beschäftigte) kommt der psychischen Belastung eine besondere Bedeutung zu [7]. Bei der psychischen Belastung handelt es sich um „die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ [10]. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen einerseits und Gesundheit andererseits wird bereits intensiv erforscht [28]. Eine ungünstige psychische Belastung bei der Arbeit kann zur Entwicklung von psychischen Erkrankungen, z. B. Depression und Angststörung, beitragen [23] und darüber hinaus an der Entstehung vieler körperlicher Erkrankungen, z. B. Herz-Kreislauf- oder Muskel-Skelett-Erkrankungen, beteiligt sein [18, 23].

Durchführung der Gefährdungsbeurteilung Psyche

Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber*innen dazu, auf der Basis einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes festzustellen, umzusetzen und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu kontrollieren. Bei dieser Gefährdungsbeurteilung sind auch psychische Belastungen der Arbeit zu berücksichtigen [6]. Die GBU Psyche hat zum Ziel, die durch die Arbeit verbundenen Gefährdungen zu beurteilen, um Maßnahmen zur gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeit abzuleiten. Sie leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Das grundsätzliche Vorgehen bei der GBU Psyche gleicht dem Prozess bei anderen Gefährdungen, wie z. B. Lärm, jedoch werden andere Instrumente zur Messung verwendet. Die sieben Prozess-Schritte der Gefährdungsbeurteilung, die absolviert werden müssen, lauten: Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen, Gefährdungen ermitteln, Gefährdungen beurteilen, Maßnahmen festlegen, Maßnahmen durchführen, Wirksamkeit prüfen und Gefährdungsbeurteilung fortschreiben.

Trotz der gesetzlichen Forderung und der zunehmenden Bedeutung der psychischen Belastung gibt es Hinweise, dass nur eine Minderheit der Unternehmen die GBU Psyche umsetzt [4, 21]. Schätzungen zufolge erfassen lediglich 30 % der Unternehmen die psychische Belastung in der Gefährdungsbeurteilung [12].

Eine repräsentative Befragung in Deutschland ergab, dass eine der zentralen Hürden bei der Erfassung der psychischen Belastung liegt, gerade bei kleineren Einrichtungen. Bei den Verantwortlichen in den Einrichtungen bestehen Unsicherheiten bezogen auf die konkreten Inhalte sowie die Art und Weise der Erfassung der Gefährdungen [3]. Eine zentrale Herausforderung stellt die Passung zwischen dem Instrument und den tätigkeitsspezifischen Anforderungen dar. Deshalb ist eine branchenspezifische Sichtung von geeigneten Instrumenten zur Erfassung eine wichtige Unterstützung der Arbeitgeber*innen bei der Umsetzung der GBU Psyche.

Bedeutung der Branche Sozial- und Gesundheitswesen

Die Branche Sozial- und Gesundheitswesen hat eine erhebliche ökonomische Bedeutung für den Standort Deutschland [8]. Die Anzahl der Beschäftigten in dieser Branche ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen [1, 37]. Die Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitswesen haben sich seit einiger Zeit aufgrund von Ökonomisierung (z. B. Optimierung von Patienten-Pflegepersonal-Relation), Umstrukturierungen (z. B. Einführung von Fallpauschalen) und den Auswirkungen des demografischen Wandels verändert. Die Arbeits- und Gesundheitssituation ist gekennzeichnet durch hohe Arbeitsintensität und Arbeit an der Grenze der Leistungsfähigkeit [7, 17]. Darüber hinaus weisen die Arbeitsbedingungen häufig ungünstige Konstellationen aus hohen Stressoren (z. B. Überstunden) und geringen Ressourcen (z. B. geringe zeitliche Handlungsspielräume) auf [7]. Im Sozial- und Gesundheitswesen ist die Arbeit durch die Interaktionen mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder mit Personen mit angeborenen oder erworbenen Behinderungen, die häufig mit herausforderndem Verhalten einhergehen, geprägt.

Die spezifischen Tätigkeiten sollten sich bei der Auswahl von geeigneten Instrumenten für die GBU Psyche widerspiegeln. Nachfolgende Merkmale sind hierbei u. a. zu berücksichtigen:

  • emotionale Inanspruchnahme – auch mit dem Thema Gewalt gegenüber Mitarbeitenden [29, 34],

  • überlange Arbeitszeit, z. B. bei Klinikärzt*innen [33],

  • quantitative Anforderungen, z. B. hoher Zeitdruck [7, 17, 26],

  • qualitative Anforderungen, z. B. Umgang mit dementen Bewohner*innen [35].

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und 2021 auf die Tätigkeiten im Sozial- und Gesundheitswesen haben in vielen Bereichen zu einer weiteren Arbeitsverdichtung und zu kritischen Veränderung geführt [15, 32]. Unter Berücksichtigung dieser aktuellen Entwicklungen im Sozial- und Gesundheitswesen ist die GBU Psyche von besonderer Bedeutung [5].

Das umfangreiche und unübersichtliche Angebot an Analyseinstrumenten ist für Unternehmen eine Herausforderung bei der Auswahl eines geeigneten Instruments. Um für das Sozial- und Gesundheitswesen eine praxiserprobte und qualitätsgesicherte Auswahl an Analyseinstrumenten zu identifizieren, hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet, bestehend aus Mitarbeiterinnen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und dem Competenzzentrum Epidemiologie und Versorgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Anhand von a priori entwickelten, standardisierten Kriterien wurden Analyseinstrumente zur Beurteilung der psychischen Gefährdungen bei der Arbeit in einem Peer-Review-Prozess begutachtet. Das Ziel ist ein qualitätsgesicherter und strukturierter Überblick über branchenspezifische, aber auch branchenunabhängige Instrumente für die betrieblichen Arbeitsschutzakteure und Anwender*innen. In der hier vorgestellten Arbeit handelt es sich um eine Momentaufnahme eines kontinuierlichen Prozesses, bei dem Instrumente bei einer Neuauflage erneut geprüft sowie neu entwickelte Verfahren in den Begutachtungsprozess aufgenommen werden.

Methode

Bei den gesichteten Analyseverfahren handelt es sich um Personalbefragungen, Beobachtungs- und Gruppendiskussionsverfahren. In einem ersten Schritt wurde zunächst eine unsystematische Literatursichtung durchgeführt. Diese wurde in einem zweiten Schritt durch eine systematische Literaturrecherche ergänzt. Im dritten Schritt haben zwei Reviewer die identifizierten Analyseinstrumente nach vorab festgelegten Kriterien unabhängig bewertet; jeder Reviewer führte die Instrumentenbewertung separat durch. In einem Treffen der zwei Reviewer wurden sämtliche Merkmale konsekutiv abgeglichen; bei Unstimmigkeit haben die beiden Reviewer darüber diskutiert. Für den Fall, dass keine Einigung gelang, wurde die Unstimmigkeit in der gesamten Arbeitsgruppe besprochen und ein Konsens gefunden.

Für den ersten Schritt der unsystematischen Literatursichtung wurden Instrumente aus der Fachliteratur, der BAuA Toolbox [24], Kongressen sowie Angebote der Unfallversicherungsträger und kommerzieller Anbieter einbezogen.

Im zweiten Schritt wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um das Risiko eines Selektionsbias zu reduzieren; die Recherche wurde in den Datenbanken PubPsych und PsycInfo vorgenommen. Bei der Datenbank PubPsych handelt es sich um eine Meta-Datenbank. Der Suchstring setzte sich aus drei Dimensionen zusammen: Instrumente, psychische Belastungen und psychische Beeinträchtigung, für die jeweils Synonyme gebildet wurden (Tab. 1). Die Begriffe in den Spalten wurden jeweils mit „OR“ verknüpft, die Begriffe in den Zeilen jeweils mit „AND“.

Tab. 1 Begriffskombinationen für die systematische Literaturrecherche

Der Veröffentlichungszeitraum der Artikel wurde auf die Jahre 1970 bis 2020 eingegrenzt. Begriffe wie Störung*, Patient*, Krank* und *Therapie wurden mit NOT-Operatoren verknüpft, um Literaturtreffer sinnvoll einzugrenzen. Die in der Tab. 1 dargestellten Suchbegriffe wurden für die Abfrage der englischsprachigen Datenbank PsycInfo übersetzt. Gesucht wurde nach Instrumenten in deutschsprachigen Veröffentlichungen, die ab dem Jahr 1970 veröffentlicht wurden (letzte Aktualisierung der Datenbankabfrage am 22.04.2020). Um die Auswahl einzugrenzen, wurden Studien, die psychische Erkrankungen untersucht hatten, von vornherein ausgeschlossen (Limitation: „non disordered populations“).

Zunächst wurden die Titel und Abstracts gesichtet. Anschließend wurden ausgewählte Volltexte dahingehend geprüft, ob sie ein Verfahren in deutscher Sprache zur Durchführung der GBU Psyche beschreiben.

A-priori-Entwicklung von Kriterien zur Sichtung der Analyseinstrumente

Vor Recherchebeginn wurden Kriterien definiert, um die identifizierten Instrumente auf Eignung zu sichten. Bestandteil dieses Kriterienkatalogs waren zunächst sog. Mindestanforderungen, die erfüllt sein mussten, damit das Instrument in den Review-Prozess aufgenommen wurde. Dabei handelt es sich bspw. um die Kriterien, ob die Instrumente theorie- oder wissenschaftsbasiert entwickelt wurden und ob sie praxisbewährt sind (Tab. 2). Die Mindestanforderungen sind sowohl für die Instrumente der unsystematischen als auch für die der systematischen Recherche geprüft worden.

Tab. 2 Mindestanforderungen und Strukturierungskriterien zur Sichtung der Instrumente

Waren die Mindestanforderungen erfüllt, haben zwei Reviewer das Instrument unabhängig voneinander anhand von Strukturierungskriterien, inklusive der Merkmale der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA; [11]; Tab. 2), bewertet. Sofern wichtige weiterführende Informationen zur Bewertung der Kriterien fehlten, wurden die Autoren*innen bzw. Herausgeber*innen der Analyseinstrumente kontaktiert und um Auskunft gebeten.

Die qualitative Validierung der Kriterien erfolgte in verschiedenen Expertengruppen (z. B. mit Wissenschaftler*innen, Berater*innen, Aufsichtspersonen).

Die Strukturierungskriterien unterteilen sich in beschreibende und bewertende Aspekte. Um die Art des Instruments zu beschreiben, wurden Kriterien genutzt, wie z. B. orientierend (<30 Items) vs. vertiefend (ab 30 Items) für Fragebögen sowie branchenspezifisch vs. branchenübergreifend für alle Instrumente. Eine derartige Kategorisierung ist notwendig für eine zu entwickelnde Übersicht über die Art der Verfahren. Bei bewertenden Strukturierungskriterien werden Punkte vergeben, z. B. bei der Erfüllung der GDA-Merkmale. Dieses Vorgehen soll eine begrenzte, praxiserprobte und transparente Auswahl für Anwender*innen ermöglichen. Eine tätigkeitsspezifische Auswahl wurde dadurch erreicht, dass bspw. die GDA-Merkmale speziell für die Anforderungen des Sozial- und Gesundheitswesens gesichtet wurden (z. B. emotionale Inanspruchnahme, Zeitdruck, häufige Unterbrechungen). Instrumente, mit den höchsten Punktzahlen wurden als geeignet in die Übersichts-Matrix aufgenommen (Abb. 3).

Die Überprüfung der Kriterien wurde auf unterschiedlichen Ebenen vorgenommen: Die erste Ebene, die Erarbeitung der Kriterien, bezog auch die Anlage 3 der Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung der GDA [2] mit ein. Auf der Ebene zwei, nach der Erstellung einer Kriterienliste, wurden erste Instrumentenbegutachtungen durchgeführt und daraufhin die Kriterien verfeinert. Schließlich wurden auf der dritten Ebene Expert*innen in internen und externen Gremien einbezogen (Aufsichtspersonen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte, Gesundheits- und Pflegewissenschaftler, Berater und Arbeitspsychologen).

Ergebnisse

Insgesamt wurden 83 Instrumente durch die Recherchen identifiziert, von denen 58 die Mindestanforderungen erfüllten. Die identifizierten Instrumente entstammten dabei sowohl der systematischen Recherche (Abb. 1) als auch der unsystematischen Suche.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm der Artikelauswahl aus der systematischen Literaturrecherche

Die eingeschlossenen Artikel der systematischen Recherche ergaben letztlich 50 Instrumente für die GBU Psyche (Abb. 2). Von diesen erfüllten 36 die Mindestanforderungen. In der unsystematischen Suche wurden 59 Instrumente identifiziert, von denen 44 die Mindestanforderungen erfüllten. In der Schnittmenge von systematischer und unsystematischer Suche befanden sich letztlich 22 Instrumente.

Abb. 2
figure 2

Analyseinstrumente durch systematische (links) und unsystematische (rechts) Literatursuche

Abgeschlossen wurde das Review bisher für 44 Verfahren aus der unsystematischen Suche, davon wurden 19 Verfahren als geeignet für das Sozial- und Gesundheitswesen identifiziert (Abb. 3). Das Review für die 14 verbleibenden Verfahren aus der systematischen Recherche erfolgt voraussichtlich bis Mitte des Jahres 2022 und ist Teil des kontinuierlichen Review-Prozesses.

Abb. 3
figure 3

Matrix der geeigneten Instrumente zur Durchführung der GBU Psyche im Sozial- und Gesundheitswesen. asita Arbeitssituationsanalyse [20], COPSOQ Copenhagen Psychosocial Questionnaire [16], ISAK‑K Kurzfragebogen zur stressbezogenen Arbeitsanalyse für Klinikärztinnen und -ärzte [14], KFZA Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse [22], KPB Kompaktverfahren psychische Belastung [13], SGA Screening Gesundes Arbeiten [9], SPA Screening psychische Arbeitsbelastung [19], STO Stationsorganisation [31], BAAM Beurteilung von Arbeitsinhalten, Arbeitsorganisation, Mitarbeiterführung und soziale Beziehungen [30], SALSA Salutogenetische subjektive Arbeitsanalyse [25]. aBestandteil des BGW-Seminars „Systemische Arbeitsschutzberatung“ für Betriebsärzt*innen und Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Sämtliche identifizierten Instrumente der Literaturrecherche können bei den Autoren angefragt werden.

Übersicht der geeigneten Instrumente

Für die GBU Psyche gibt es drei verschiedene Verfahrensarten, dabei handelt es sich um Personalbefragungen, Beobachtungs- und Gruppendiskussionsverfahren; für alle drei Arten konnten für das Sozial- und Gesundheitswesen geeignete Instrumente identifiziert werden.

Aus den bewertenden Kriterien (bspw. Handlungsleitfaden vorhanden, ermöglichen die Ergebnisse eine Beurteilung von Gefährdungen z. B. durch Referenzwerte oder qualitative Beurteilung) ergab sich am Ende des Prozesses eine Punktzahl. Bei einem Wert ≥20 Punkte wurde das Instrument in die Matrix aufgenommen. Maximal konnten 31 Punkte erreicht werden.

Einen Überblick der geeigneten Verfahren gibt die Matrix in Abb. 3. Diese strukturiert die Instrumente in Fragebögen, Beobachtungs- sowie Gruppendiskussionsverfahren, wobei Fragebögen noch einmal in orientierend (<30 Items) und vertiefend (ab 30 Items) unterteilt wurden. Eine weitere Strukturierung fand in branchenübergreifende und branchenspezifische sowie in kostenfreie und kostenpflichtige Instrumente statt.

Einige Instrumente sind sowohl in den Kategorien kostenfrei und kostenpflichtig geführt. Der Grund hierfür ist, dass sie kostenfrei zugänglich sind. Sollten externe Dienstleister*innen hinzugezogen werden, so ist die Nutzung kostenpflichtig. Ein weiteres Instrument befindet sich sowohl in der Kategorie branchenspezifisch als auch branchenübergreifend; in diesem Fall hat das Instrument einen modular aufgebauten Fragebogen, der branchenspezifisch, z. B. in der stationären Altenpflege, sowie auch branchenübergreifend, bspw. bei einem großen Träger der ambulanten, stationären Behindertenhilfe und deren Werkstattbereich, eingesetzt werden kann.

Bei der Matrix handelt es sich um die Darstellung eines aktuellen Zwischenstands, da Verfahren regelmäßig von den Autor*innen überarbeitet werden [16, 27], oder es werden neue Instrumente entwickelt [36]. Die verbleibenden 14 Instrumente aus der systematischen Recherche werden im Jahr 2022 den Review-Prozess durchlaufen und ggf. die Matrix erweitern. Die Sichtungsarbeit strukturiert sich somit in mehrere Begutachtungswellen.

Für die bis zu diesem Zeitpunkt als geeignet identifizierten Instrumente wird folgend auf den Review-Prozess eine Kurzbeschreibung, ein sog. Steckbrief angefertigt. Dieser soll den Anwender*innen einen schnellen und detaillierten Einblick in das jeweilige Verfahren ermöglichen.Footnote 1

Diskussion

Die vorliegende Arbeit identifiziert anhand von Recherchen insgesamt 83 Instrumente für die GBU Psyche. Anhand zuvor definierter Kriterien wurden die einzelnen Instrumente auf ihre Eignung und Einsatzmöglichkeiten geprüft, sodass eine reduzierte Anzahl von Verfahren zur Durchführung der GBU Psyche für das Sozial- und Gesundheitswesen vorgestellt werden kann.

Die Ergebnisse zeigen, dass durch die Vielzahl an identifizierten Verfahren auf dem Anbietermarkt für die GBU Psyche, die Sinnhaftigkeit und Relevanz, eine transparente, begrenzte, praxiserprobte sowie qualitätsgesicherte Auswahl von Instrumenten zu treffen wichtig ist. Arbeitsschutzakteure sowie Anwender*innen können ihren Anforderungen entsprechend (z. B. Branchenspezifik) ein geeignetes Verfahren für ihre Einrichtung auswählen. Ein innerbetrieblicher Diskussions- und Entscheidungsprozess kann mithilfe der Matrix und den darin enthaltenen unterschiedlichen Herangehensweisen initiiert und im weiteren Verlauf die Auswahl eines entsprechenden Instruments zielgerichtet getroffen werden.

Bei der an Kriterien orientierten Sichtung geeigneter Instrumente für die Branche Sozial- und Gesundheitswesen war die Berücksichtigung bspw. von emotionalen Anforderungen aus den Arbeitsinhalten (z. B. Umgang mit Personen mit herausfordernden Verhaltensweisen), der Arbeitszeit (z. B. Dienstplangestaltung) sowie die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben (z. B. nicht aus dem Frei geholt werden) besonders wichtig. Diese Arbeitsmerkmale haben insbesondere im Sozial- und Gesundheitswesen einen deutlichen Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten [7, 29, 33].

Die Auswahl eines geeigneten Instruments ist von den betrieblichen Rahmenbedingungen (z. B. Betriebsgröße, Branche, Tätigkeitsbereiche, finanzielle Ressourcen) sowie von der Art der Arbeitsanforderungen abhängig. Im Allgemeinen wird zunächst ein orientierendes Verfahren (z. B. standardisierte schriftliche Personalbefragung) gewählt, um einen Überblick darüber zu erhalten, ob und wo es Belastungsschwerpunkte gibt. Werden Problembereiche identifiziert, sollte ein vertiefendes Verfahren (z. B. moderierter Analyseworkshop) für ausgewählte Bereiche angewendet werden. Aus der Anwendung eines geeigneten Instruments resultiert noch keine Rechtssicherheit, vielmehr kommt es auf die Einhaltung der sieben Prozessschritte an. Unabhängig von der ausgewählten Methode steht der Prozess der GBU im Vordergrund. Die professionelle Berücksichtigung der Prozessschritte gewährleistet die Nachhaltigkeit der Ergebnisse und die Rechtssicherheit. Mit dieser hier genannten Auswahl werden Beispiele geeigneter Instrumente beschrieben. Es können auch andere Verfahren für die Gefährdungsbeurteilung eingesetzt werden.

Seit 2018 prüfen die gesetzlichen Unfallversicherungsträger, ob ihre versicherten Unternehmen die GBU Psyche verantwortungsbewusst durchführen.

Die GBU Psyche wird nach wie vor noch längst nicht in jeder Einrichtung durchgeführt [12]; ein Hindernis dafür kann das fehlende Wissen sein, was psychische Belastung ist, und sich in der uneinheitlichen Sprachverwendung ausdrückt und somit zu Verwirrung führt. Außerdem zeigt sich ein Mangel an Wissen zur Messbarkeit von psychischer Belastung [4]. Durch Informationen wie bspw. eine Auswahl an geeigneten Instrumenten kann dieses Hindernis verringert werden.Footnote 2

Eine Limitation der vorliegenden Arbeit ist es, dass weitere Instrumente existieren, von denen die Arbeitsgruppe keine Kenntnis hat und die ebenfalls geeignet sein können, die GBU Psyche im Sozial- und Gesundheitswesen durchzuführen. Es wird kontinuierlich weitergearbeitet, um diese Limitation zu reduzieren.

Da die Zugänglichkeit für die Anwender*innen bei den Instrumenten ebenfalls geprüft wurde, konnten diejenigen Instrumente nicht in den Review-Prozess einbezogen werden, die auch nach Kontaktaufnahme mit den Autor*innen nicht zur Sichtung zur Verfügung standen.

Der Ressourcenaufwand für eine kontinuierliche Aktualisierung der Übersichtsmatrix ist eine Herausforderung in personeller Hinsicht, sowohl für die wiederkehrende Recherche und den Review-Prozess als auch für die Pflege der Unterlagen. Die Arbeit bleibt eine Momentaufnahme, die kontinuierlich erweitert wird für die Arbeitsmediziner*innen, Arbeitsschutzakteure und Anwender*innen.

Fazit für die Praxis

  • Für die GBU Psyche, ein wichtiges Instrument zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen in Einrichtungen, gibt es ein unübersichtliches Angebot an Analyseverfahren.

  • Ein Hindernis bei der Auswahl des Verfahrens ist die Unsicherheit bei der Messbarkeit der psychischen Belastung.

  • Für Anwender*innen wird eine reduzierte Auswahl an geeigneten Instrumenten für das Sozial- und Gesundheitswesen vorgestellt.

  • Die Kriterien zur Beurteilung der Instrumente werden transparent beschrieben.